Es kommt immer mal wieder vor, dass ein Spiele-Release verschoben wird. Die Nintendo 64-Erweiterung 64DD übertrifft in der Firmengeschichte Nintendos aber bisher alles: Keine Innovation wurde so lange vorher angekündigt, um dann so unspektakulär im Sande zu verlaufen. Eine spannende Geschichte von einer anfangs interessanten Idee, bei deren Umsetzung einige schief lief.

So lange es den N64 gibt, gibt es auch die Idee zum 64DD

Wir schreiben das Jahr 1996. Der N64 ist gerade erschienen und ermöglicht vollkommen neue Spielerlebnisse: Spieler sind begeistert vom neuen Mario in 3D, den realistisch anmutenden Wellenanimationen in Wave Race und den hübschen Texturen in Banjo Kazooie. Der N64 stößt aber auch an seine Grenzen: Auf den Spielmodulen ist technisch bedingt nur wenig Speicherplatz und der wird schon zu Beginn gleich voll ausgeschöpft. Genau der richtige Zeitpunkt, um für die noch junge, innovativ scheinende Konsole eine Erweiterung herauszubringen: das Nintendo 64 Disk Drive, kurz 64DD.

Erstmals angekündigt wird die Erweiterung schon im Jahr 1995, ein Jahr vor Erscheinen des N64. Erscheinen soll das Zusatzlaufwerk Ende 1997. Lange bleibt jedoch nebulös, was genau das 64DD können wird. Optisch erinnert der in den Boden des N64 einklinkbare Untersatz, der einen Port für Floppy Disks enthält, ein wenig an die CD-Rom-Erweiterung für das SNES. Diese wurde in jahrelanger Zusammenarbeit mit Sony entwickelt, erschien aber nie. Dass es den 64DD ein ähnliches Schicksal einholen würde, erahnte zu diesem Zeitpunkt aber noch niemand. Schließlich gingen Nintendos Ideen mit dem Zeitgeist: Das Laufwerk sollte nicht nur die Spiele vom technischen Niveau noch einmal anheben, sondern vor allem das Spielgefühl revolutionieren. Was genau im Detail dahintersteckte, dazu war in Deutschland anfangs aber nur wenig bekannt.

Das Resultat des vierjährigen Entwicklungsprozesses, das am 01. Dezember 1999 erschien, enthielt schließlich sogar einen Online-Modus und sah so aus:

Ehe es so weit war, dass Spieler in Japan das 64DD nutzen konnten, beschäftigte Nintendo seine Fans mit einer Reihe von Ankündigungen, die teilweise wieder revidiert wurden, und Terminen, die jedes Mal neu verschoben wurden. Wie deutsche Nintendo-Spieler die Entwicklung des 64DD miterlebten, zeigt die Berichterstattung der größten deutschen Nintendo-Fachzeitschrift N-ZONE.

1998: Verzögerung durch zu viele Projekte

Nachdem der ursprüngliche Termin Ende 1997 nicht eingehalten werden konnte, wurde im Frühjahr 1998 das 64DD für Juli 1998 in Japan angekündigt und erste Bilder der Verpackung sowie des Startbildschirms gezeigt. Auch Softwarepreise wurden erstmals verraten, die deutlich unter den bisherigen Preisen der N64-Cartridges liegen sollten. Genau an dieser Software mangelte es aber, da es bei Nintendo intern zu Ressourcenproblemen kam.

Die beste Hardware ist nichts ohne gute Software. Diesen Leitspruch wollte Nintendo auch beim 64DD erfüllen und kündigte gleich zu Beginn einen Mario- und einen Zelda-Titel an. Leider kollidierten die Software-Pläne für das 64DD aber mit der Entwicklung aktueller Spiele: Insbesondere an Zelda: Ocarina of Time wurde genau zu diesem Zeitpunkt intern mit Hochdruck gearbeitet, damit es zum Weihnachtsgeschäft 1998 erscheinen konnte. Shigeru Miyamoto, der das Entwicklerteam leitete, verriet in einem Interview zu Beginn des Jahres 1999, dass die vorrangige Arbeit an Zelda dazu geführt habe, dass ein Super Mario 64DD auf Eis gelegt werden musste [1]. Gut vorstellbar, dass es schließlich auch weiteren Titeln ähnlich erging.

Während es durch die Arbeit an Zelda für den Rest des Jahres 1998 still um das 64DD wurde, eine Speichererweiterung in Form des Expansion Pak vorgestellt. Diese sollte ausschließlich mit dem 64DD-Zusatzlaufwerk erscheinen und beim Nintendo 64 anstelle des Jumper Pak eingebaut werden, sodass der Gesamtspeicher um 8 MB erweitert würde. Schließlich kam die Erweiterung vollkommen überraschend und ohne große Ankündigungen schneller gedacht schon am 6. Dezember 1998 für 69 DM losgelöst vom 64DD zu uns. Damit wurde allerdings auch ein Vorteil des 64DD vorweggenommen: Auch ohne Zusatzlaufwerk konnten nun Spiele in verbesserter Grafik gespielt werden.

Zugleich entstand bei der Spieleentwicklung ein Teufelskreis: Der Nintendo 64 war im Vergleich zur Playstation mit deutlich weniger Third-Party-Spielen ausgestattet. Dies lag vor allem an der aufwändigen Produktion der Cartridges, während Sony hier auf CDs setzte. Nintendo brauchte, um die Konsolenkäufe anzukurbeln, schnell neue Titel. Da die Entwicklung des 64DD aber noch nicht ausgereift genug war, wurden einige Titel schließlich als normale Cartridges veröffentlicht. Unter den (heute) bekannten Nintendo-Spielen betraf dies Donkey Kong 64, Animal Crossing, Fire Emblem, Kirby 64, Pokémon Stadium und Super Mario RPD 2. So wurde mit jeder weiteren Verzögerung des 64DD auch das künftig erwartete Spieleangebot unattraktiver. Und die Verzögerung ging weiter: Während der Erscheinungstermin im Sommer 1998 schon längst verstrichen war, kündigte die N-ZONE den Erscheinungstermin endlich für Juni 1999 an [2].

Links: Eine Disc für das 64DD, hier die Randnet-Disc, mit der man in Verbindung mit einem Modem online surfen konnte. Rechts: Das 64DD ohne N64-Aufsatz.

1999: Verzögerung durch technische Herausforderungen

Anfang 1999 wurde schließlich deutlich, dass das 64DD noch einen weiteren Aspekt bedienen sollte: Im Fokus stand nun auch ein Online-Modus, über den Nintendo-Spieler sich in einem Netzwerk zusammenschließen, kommunizieren und Spielstände austauschen konnten. Erstmals wurde dieser für deutsche Leser in einem Interview mit Hiroshi Yamauchi bestätigt. Allerdings war die Aussage hier noch, dass es demnächst einen Hardware-Zusatz mit internem Modem geben solle, mit dem man mit dem N64 auch online spielen könne. Die N-ZONE-Redaktion vermutete daraufhin, dass dieses Modem im Zusammenhang mit der 64DD-Erweiterung verbaut werden könnte. [3]

Es wurde Sommer 1999 und der angekündigte Release wieder nach hinten geschoben. Dieses Mal wares Shigeru Miyamoto persönlich, der die Wogen glätten musste:

„Wenn wir einzigartige und attraktive Titel dafür herausbringen können, dürfte einem Erfolg nichts im Wege stehen. Die Arbeit an Zelda hat viel Zeit in Anspruch genommen, daher konnten wir uns nicht mit Spielen für das 64DD beschäftigen. Wir stehen aber nun kurz vor der Beendigung einiger Hochkaräter, über die ich jedoch noch nichts sagen darf, und ich bin gespannt, wie die Öffentlichkeit auf diese Games reagieren wird.“

N-ZONE 05/1999, S. 4

Zugleich wird in einem Interview mit dem Chefspieleberater von Nintendo, Michael Friesl, endgültig deutlich, dass es das 64DD höchstwahrscheinlich nicht nach Deutschland schaffen wird:

„Vor kurzem wurde von Nintendo Japan und der Firma Recruit die Gründung einer Firma bekannt gegeben. Dieses Unternehmen wird für die Vermarktung des „64 DD“ in Verbindung mit einer „ENTERNET“-Mitgliedschaft (Entertainment Network Services), Ende dieses Jahres auf dem japanischen Markt zuständig sein. Eine Veröffentlichung in Amerika und Europa ist nicht ausgeschlossen, aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant.“

N-ZONE 07/1999, S. 8

An Friesls Aussage sieht man auch, dass Nintendo inzwischen mit der Vorbereitung des Online-Services beschäftigt ist. Diese Vorbereitungen schienen noch zu weiteren Verzögerungen zu führen, sodass die N-ZONE erneut über eine Terminverschiebung in den Februar 2000 hinein berichtete [4]. Während auch dieser Termin verstrich, erschien das 64DD – aus Sicht deutscher Spieler vollkommen unbemerkt – schließlich doch am 01. Dezember 1999 in Japan.

2000: Release und schneller Tod

In Japan fand der Release des 64DD im kleinen Rahmen statt. Nintendo verkaufte das Laufwerk im Direktvertrieb, bei dem Kunden das Randnet Starter Kit per Post bestellen konnten. Diese Aktion wirkte fast, als hätte man sich nach den ganzen Verschiebungen gar nicht mehr getraut, groß einen Wirbel um das neue Produkt zu machen, das trotz aller Verschiebungen nun doch relativ wenig zu bieten hatte. In Deutschland aber kam die Information an, das 64DD sei gleich zu Beginn ausverkauft[5] – kein Wunder, wenn es gar nicht erst in den Händlerregalen landete.

Zwar schien das 64DD für Deutschland in sehr weite Ferne gerückt, zu Jahresbeginn 2000 gab es allerdings wieder die kurze Hoffnung, dass sich das lange Warten doch noch lohne. Es wurde wieder ein Zelda 64DD angekündigt, das zwischendurch schon längst von der Liste gestrichen war [6]. Auffällig ist allerdings, dass diese Ankündigung nicht von Nintendo selbst, sondern Randnet, dem Unternehmen, das den Online-Service bereitstellte, kam. So verlief diese Ankündigung schließlich genauso im Sande wie diverse Spieleankündigungen für das DD64: Das lang erwartete Rollenspiel Mother 3 (auch bekannt als Earthbound) wird noch in der N-ZONE 04/2000 mit Erscheinen im Mai 2000 angekündigt. In der folgenden Ausgabe wird der Release aber auf Juni verschoben. Schließlich wird das in Japan lang erwartete Spiel niemals auf dem N64 erscheinen. Diesen radikalen Schnitt setzte Nintendo schließlich auch beim 64DD an: Schon knapp ein Jahr später, zu Beginn des Jahres 2001, deaktiviert Nintendo den Online-Service und das 64DD war Geschichte.

Was kostet das 64DD heute?Nach Schätzungen wurden nur bis zu 15.000 64DD verkauft. Die inzwischen selten gewordenen Exemplare werden dementsprechend zu höheren Preisen gehandelt. Hier einige Preisbeispiele zum Veröffentlichungszeitpunkt des Artikels:64DD Starter Kit und Spielen – mit Originalverpackung 1.500 – 2.000 €64DD und N64 – ohne Originalverpackung 1.000 – 1.200 €Mario Artist: Talent Studio – mit Originalverpackung 100 – 150 €

Warum das 64DD zum Scheitern verurteilt war

Zwischen Erstankündigung und Veröffentlichung des 64DD-Laufwerks lagen vier Jahre. Nicht nur für die schnelllebige Videospielbranche ist dies ein langer Zeitraum, sondern erst recht für die Ankündigung einer Hardware-Erweiterung. Als das 64DD erschien, hatte Sony schon längst seine Playstation 2 angekündigt und Nintendo zog mit einer Ankündigung für eine Konsole, die 2001 als Game Cube veröffentlicht werden sollte, hinterher.

Dies war ein ungünstiger Zeitpunkt für eine Hardware-Erweiterung, deren Nutzen konkret niemand so richtig sehen konnte. Die in optische und technische Optimierung der Spiele wurde durch das Expansion Pak schon im Dezember des vorherigen Jahres vorweggenommen. Auch alle wichtigen Nintendo-Zugpferde waren auf dem N64 als normale Cartridges erschienen und die äußerst magere Spielepalette, mit der Nintendo zum Release des 64DD startete, war interessant, aber nicht unbedingt attraktiv.

Zwar bot Nintendo innerhalb der insgesamt nur 11 erschienenen Softwaretitel für das 64DD einige für die damalige Zeit durchaus neue Spielereien, diese demonstrierten aber mehr, zu was das 64DD theoretisch in der Lage war, als dass dahinter fundierte Spielideen und vor allem langfristiger Spielspaß standen.

Spielereien auf dem 64DD

Screenshot aus Mario Artist: Talent Studio
In Mario Artist: Talent Studio können 3D-Charaktere erschaffen werden. Ein echtes Gesicht kann über die Game Boy-Kamera importiert werden.
Screenshot aus Sim City 64
In Sim City 64 für das 64DD sollen die im Talent Studio entworfenen Figuren als Statuen das Stadtbild verschönern können.
Screenshot aus Doshi the Giant
Ohne große Ankündigung kam Doshin the Giant relativ überraschend zum Release. Als friedfertiger Riese muss man sich mit den Bewohnern einer Südseeinsel arrangieren.

Was vom 64DD übrig blieb

Vieles, was beim 64DD angelegt wurde, findet sich heute wie selbstverständlich auf aktuellen Nintendo-Konsolen wieder: Seit der Wii kann man seinen eigenen Mii-Charakter erstellen, mit dem man im Nintendo-Universum unterwegs ist, was stark an die Figurenerstellung in Mario Artist: Talent Studio erinnert. Im Internet zu surfen und sich mit anderen Spielern auszutauschen ist heute ebenfalls nahezu selbstverständlich mit Konsolen möglich. Allerdings war es mit dem 64DD weder attraktiv, durchs Internet zu surfen noch gab es schon das richtige Spiel, um den Online-Service voll auszukosten. Zwar war mit Animal Crossing ein Spiel mit einem Ansatz in den Startlöchern, das genau auf das 64DD gepasst hätte, doch Nintendo brachte es schließlich kurz nach Scheitern des 64DD als normale Cartridge heraus. Dass viele Grundideen des 64DD später für aktuelle Nintendo-Konsolen übernommen wurden, zeigt, dass Nintendo mi dem 64DD zu einer falschen Zeit zu viel auf einmal wollte – und dann doch den richtige Zeitpunkt dafür verpasste. Es bleibt die Paradoxe Situation, dass eine eigentlich innovative Technologie durch ständige Verzögerungen und ungeschickte Ankündigungen plötzlich für seine Zeit ganz alt wirkte.

Fazit

Innovationen sind ein wichtiger Bestandteil der Games-Branche: Nintendo, Sony und Microsoft kämpfen mit neuen Ideen immer wieder um die Vormachtstellung auf dem Markt. Nintendo entwickelte immer wieder Innovationen, die so einfach wie zugleich genial waren. Aber auch Nintendo konnte dabei auch danebenliegen. Dies zeigt nicht nur der bekannte Virtual Boy, sondern auch die Geschichte des 64DD. Die vielen Ankündigungen und das schließlich magere Ergebnis hinterlassen heute den Eindruck einer Idee, von der auch Nintendo zum Release nicht mehr richtig überzeugt war. In Europa lernten wir das 64DD nie kennen, einige Ideen des einstigen Zusatzlaufwerks sind aber bis heute in unserem Nintendo-Universum zu Hause.

Die Fotografien von N64 und Zubehör stammen von Evan Amos (außer Disk: The Jedi~commonswiki) Evan Amos und wird unter der Attribution-ShareAlike 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0)-Lizenz verwendet.

Quellen

  1. N-ZONE 02/1999, S. 4
  2. N-ZONE 10/1998, S. 4
  3. N-ZONE 02/1999, S. 4
  4. N-ZONE 01/2000, S. 4
  5. N-ZONE 02/2000, S. 4
  6. N-ZONE 03/2000, S. 4

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