Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 29. Juni 2024
Auch wenn Animal Crossing zunächst nicht wie ein Retro-Game erscheint – die Serie selbst hat bereits ihren 20. Geburtstag hinter sich. Inzwischen ist die Reihe von Nintendo-Konsolen nicht mehr wegzudenken. Grund genug also, sich in einem eigenen Beitrag der Frage zu widmen, was die knuffige Tier-Simulation so besonders macht.
Farbenfroh, niedlich und nicht ganz ernst zu nehmen
Wie so einige Spiele von Nintendo ist auch Animal Crossing auf den ersten Blick eines: Farbenfroh, niedlich und scheinbar nicht ganz ernst zu nehmen. Jedem, der Animal Crossing schon einmal gespielt hat, geht es sicher so wie mir: Ich muss erklären, dass das Spiel nicht nur etwas für Kinder ist, sondern auch durchaus anspruchsvoll genug für Erwachsene.
Dass das Spiel den Eindruck erweckt, ein simples Kinderspiel zu sein, liegt natürlich vor allem an den niedlichen Tierfiguren, die Animal Crossing bevölkern und dem Spiel im Japanischen den Namen Dôbutsu no mori (deutsch: Wald der Tiere) eingebracht haben. Gemeinsam mit den Tieren wohne ich in einem Dorf und verbringe meine Zeit damit, dort heimisch zu werden, mein Haus auszubauen, einzurichten und mich mit meinen tierischen Nachbarn anzufreunden. Wenn ich durchs Dorf streife, um Geld zu verdienen oder neue Gegenstände für mein Haus zu sammeln, begegnen mir meine Nachbarn immer wieder, sodass es zahlreiche Gelegenheiten zum Plaudern gibt. Manchmal erhalte ich von ihnen Geschenke oder Einladungen in ihr zu Hause, meist geht es aber auch einfach nur um die wirklich wichtigen Dinge im Leben:
Liliane: „In letzter Zeit trage ich meinen Schlafanzug immer falsch herum und nach außen gekrempelt.“
In Animal Crossing geht es zwar grundsätzlich darum, in einer neuen Stadt heimisch zu werden, sich ein Haus zu bauen, sich mit seinen Nachbarn anzufreunden und sein eigenes Leben stetig zu perfektionieren. Allerdings gibt es durch das Spiel kaum feste Vorgaben: Was ich wann, in welcher Reihenfolge und ob überhaupt erledige, bleibt mir selbst überlassen. Es gibt keinen Zeitdruck, keinen bösen Kontrahenten, ich kann nicht sterben und mein Haus kann auch nicht abbrennen. Selbst mit den Nachbarn kann ich es mir nicht wirklich verscherzen. Animal Crossing ist ein Spiel, das mich jedes Mal wieder freundlich in seiner Welt begrüßt.
20 Dinge, die man in Animal Crossing tun kannEin Haus ausbauen, ein Haus einrichten, neue Attraktionen im Dorf bauen, den Campingplatz besuchen, eine Insel besuchen, Fische fangen, Insekten fangen, Fossilien ausgraben, Kleidung kaufen, Kleidung designen, Blumen pflanzen, Nachbarn besuchen, Botendienste für Nachbarn erledigen, Nachbarn zu sich einladen, Briefe schreiben, Kunstwerke sammeln, Muscheln sammeln, Geschenke auspacken, Dinge in der Fundgrube zu Geld machen, mit Rüben handeln.
Animal Crossing manifestiert die Sehnsucht nach einer heilen Welt
So niedlich das ganze wirkt, hinter der Idee zu Animal Crossing steckt die traurige Erfahrung von Einsamkeit und Verlust. Als der Entwickler Katsuya Eguchi, der sich für die Spielereihe verantwortlich zeichnet, Ende der 1980er Jahre als junger Mann nach Kyoto zog, war er dort ganz auf sich allein gestellt und weit weg von Familie und Freunden. Vor allem die gemeinsamen Stunden mit seiner Familie fehlten ihm und so wurde dieses Gefühl einige Jahre später zu einer Inspiration für sein Spiel:
„I wondered for a long time if there would be a way to recreate that feeling, and that was the impetus behind the original Animal Crossing.“Katsuya Eguchi, nintendolife.com
In einer Zeit, in der Online-Spielen noch nicht üblich ist, sondern man allenfalls zu Hause im Mehrspielermodus gemeinsam vor der Konsole sitzt, klingt Eguchis Wunsch, über ein Spiel das Bedürfnis nach sozialer Interaktion auszuleben und Einsamkeit zu vertreiben, noch etwas widersprüchlich.
Als Animal Crossing 2001 erstmals erschien, war zwar an ein vernetztes Spielen gemeinsam mit anderen Spielern über größere Entfernungen hinweg noch nicht zu denken, trotzdem hatte Eguchi mit seinem Spiel genau das richtige Gespür, denn schon mit dem zweiten Teil der Serie 2005 nutzte Nintendo den Online-Modus, sodass es nun auch möglich wurde, sich mit Spielern weltweit auszutauschen. Eguchis Konzept ging auf und die Reihe wurde Dank der drei folgenden Besonderheiten zum Erfolg:
1. Eine Simulation, die keine sein will
Was die Spieltiefe angeht, ist Animal Crossing tatsächlich simpel und kann mit anderen Titeln seines Genres wie etwa den Sims kaum mithalten. Das fängt schon bei der Charaktererstellung an: Zwar ist die eigene Spielfigur menschlich, die weichen, abstrahierten Züge, der immer gleiche Körper und die geringe Individualisierbarkeit des Gesichts führen aber nicht unbedingt zu einem Charakter, mit dem man sich identifiziert. Während die Gestaltungsmöglichkeiten immer in einem begrenzten Rahmen bleiben – auch was das Haus, Möbel und Kleidung angeht – ist das Leben in Animal Crossing aber auch um einiges leichter als in anderen Simulationen. Ich muss keine Pausen einlegen oder essen und trinken, um zu Kräften zu kommen, sondern kann so lange Angeln und Insekten fangen, bis es mir langweilig wird oder ich genug Geld verdient habe.
Animal Crossing steckt keine Ziele und kennt auch keine Sanktionen. Wenn ich in meinem Haus kein Bett und keinen Stuhl habe, stört das niemanden, außer meine Nachbarn, die es etwas leer finden und mir daraufhin Möbel schenken. Wenn ich mir aber schöne Einrichtungsgegenstände ausgesucht habe, erhalte ich dafür Punkte und werde schließlich sogar für meine stilvolle Einrichtung ausgezeichnet. Auch hier wird wieder die heile Welt sichtbar: Es werden positive Anreize und Erlebnisse geschaffen, Stress und Strafen aber vermeidet das Spiel gänzlich. Wozu sollen wir uns auch dem Alltagsstress in einem Spiel aussetzen, wenn eine Welt so friedlich und unkompliziert wie in Animal Crossing sein kann?
Für manche klingt all dies vielleicht todlangweilig, Animal Crossing ist aber mit diesem simplen Gameplay perfekt für alle, die beim Spielen abschalten möchten, ohne irgendwelche komplizierten Aufgaben zu bewältigen oder vorzuplanen, wie Zeit und Ressourcen möglichst optimal genutzt werden können.
2. Spielen in Echtzeit
Wer fleißig ist und Ausdauer hat, kann schnell einige Sternis sammeln und davon sein Haus ausbauen oder Accessoires dafür kaufen. Ich muss also nicht stundenlang am Stück spielen, sondern Animal Crossing setzt gerade darauf, dass ich immer mal wieder kurz vorbeischaue. Da das Spiel in Echtzeit abläuft, kann ich Obst beispielsweise nur alle paar Tage ernten. Auch finden sich die meisten Muscheln zum Sammeln am Strand jedes Mal, wenn ich die Stadt neu betrete. Kleine Quests, die beispielsweise in New Leaf für den 3DS erstmals hinzugekommen sind, sind auf zwei Quests pro Tag begrenzt. Und auch das Angebot in den Geschäften wechselt täglich, sodass ich regelmäßig im Spiel vorbeischauen muss, um möglichst viele verschiedene Einrichtungsgegenstände erwerben zu können. So kann man Animal Crossing nicht an einem Wochenende durchspielen. Vielmehr macht das Spiel die meiste Freude, wenn man täglich nur kürzere Zeiträume von 30 bis 60 Minuten dort verbringt.
Die Echtzeit trägt trotzdem gerade zu Anfang dazu bei, dass man sehr schnell in das Spiel hineingezogen wird. Bestimmte Insekten und Fische lassen sich nur zu bestimmten Zeiten fangen. Nachbarn machen Verabredung ab, sodass ich zu einer bestimmten Uhrzeit das Spiel einschalten und den Termin wahrnehmen muss. Vergesse ich die Verabredung, halten mir die Nachbarn dies zwar vor, aber auch hier gibt es keine Sanktionen.
Mit der Zeit aber kann gerade auch die Echtzeit die Motivation rauben. Soll ich tatsächlich ein Jahr warten, bis ich alle Jahreszeiten einmal durch habe? Das Echtzeit-Spiel lässt sich vielleicht gut damit vereinbaren, wenn man als Teenager sechs Wochen Sommerferien hat und regelmäßig spielen kann, aber wie sollen Erwachsene mit einem normalen Arbeitsrhythmus tagsüber spielen? Oder auch nachts, um endlich noch die letzten seltenen Nachtinsekten zu fangen? Und warum soll ich, nur weil ich abends frei habe, jeden Tag nur abends im Dorf unterwegs sein?
Aber auch für diese Probleme gibt es einen Ausweg: Einfach die Uhrzeit der Konsole umstellen und schon reise ich durch die Zeit! Dies ist übrigens kein Cheating im strengen Sinne, sondern eine weitere mögliche Spielweise, die die Entwickler zulassen. Jeder soll Animal Crossing schließlich so spielen, wie es ihm (zeitlich) am besten passt.
Die Echtzeit macht Animal Crossing so besonders, da sie die eigene Lebenswirklichkeit stärker mit dem Spiel verknüpft. Wer das Konzept der Echtzeitverknüpfung allerdings nicht mag, kann es wiederum ganz einfach umgehen. Animal Crossing bleibt sich damit auch bei diesem Punkt seinem Motto treu: Mach alles genau so, wie es dir am meisten Spaß macht.
3. Soziale Interaktion
Es gibt noch eine weitere Komponente, die daneben Spielspaß erzeugt: die soziale Interaktion. Diese war Entwickler Eguchi besonders wichtig. Genauso wie die Echtzeit ist sie aber äußerst zweischneidig und zeigt auch auf, wo die Grenzen von künstlicher sozialer Interaktion liegen.
Das oberste Prinzip von Animal Crossing ist Harmonie. Sich mit Nachbarn anfreunden ist sogar eines der Features, das als Spielelement auf der Verpackung von New Leaf beworben wird. In der heilen Welt von Animal Crossing geht es darum, alles schön und behaglich zu machen. Damit man sich nun in seinem liebevoll eingerichteten Heim auch so richtig wohlfühlt, benötigt man nur noch Freunde, die das Geschaffene bewundern.
Das geht zum Einen durch die direkten Nachbarn im Dort. Eine Freundschaft schließe ich ziemlich schnell: Täglich spreche ich die Tiere einfach nur an, besuche sie in ihren Häusern oder schreibe einen Brief. Damit werden sie nicht nur meine Freunde, sondern überreichen mir auch Geschenke. Dies motiviert ungemein.
Auch wenn die einzelnen Charaktere liebevoll ausgearbeitet sind und ihre Eigenheiten haben, auch wenn sie mir jeden Tag etwas Neues erzählen – nichts täuscht darüber hinweg, dass sie nicht auf mich eingehen können. Briefe bleiben immer oberflächlich und ein Lob gibt es von ihnen für eigentlich fast jedes Objekt, das ich in mein Haus stelle.
Da ist es gut, dass schon seit dem zweiten Teil Animal Crossing: Wild World ein Austausch mit echten Spielern möglich ist. Im aktuellen Titel Animal Crossing: New Horizons kann ich im Online-Modus die Inseln anderer Bewohner besuchen und meine eigene Insel vorstellen. Fehlende Gegenstände kann ich mit anderen Spielern tauschen und so meine Möbelkollektionen komplettieren. Schließlich kann ich auch eigene Designs für beispielsweise Kleidungsstücke bereitstellen oder selbst herunterladen. All dies macht Animal Crossing sehr kurzweilig und fängt genau die Vision ein, die Eguchi zu Beginn der Serie hatte.
Leider hat Nintendo den Online-Modus inzwischen allerdings für ältere Titel komplett eingestellt, sodass aktuell nur noch Animal Crossing: New Horizons im Online-Modus auf der Switch gespielt werden kann.
Fazit
Animal Crossing ist ein Spiel, das aus dem Gefühl von Einsamkeit und dem Bedürfnis nach sozialer Interaktion in einer heilen Welt entstanden ist. Es ist ein Seelentröster, präsentiert Spielern eine heile Welt, die keine Anforderungen an sie stellt, sondern nur positiv belohnt, wenn sie selbst freiwillig aktiv werden. Was man im Spiel tun möchte, bleibt einem selbst überlassen. Animal Crossing ist ein Rückzugsraum vom Alltag, zwar einfach, dafür aber auch stressfrei. Gerade durch sein simples Spielprinzip ermöglicht es auch einen kurzen Ausflug in die Spielwelt und eignet sich gut für alle, die nicht so viel Zeit zum Spielen haben, zwischendurch aber vollkommen abschalten möchten. Die Spielwelt ist nicht nur besonders liebevoll gestaltet, sondern gibt sich auch viel Mühe dabei, die einzelnen Spielcharaktere menschlich wirken zu lassen. Dies klappt zwar nicht immer einwandfrei, für richtige soziale Interaktion gibt es aber zum Glück noch den Online-Modus, in dem man sich mit Gleichgesinnten treffen kann.
Unter Nintendos Spieleserien ist Animal Crossing sicher keineswegs so prominent wie Mario oder Zelda, sondern teilt sich mit Titeln wie Pikmin eher die zweite Reihe. Dafür füllt es seit 2001 eine Lücke: Es will kein klassisches Videospiel sein, sondern Entspannung und ausschließlich positive Erlebnisse bieten. Genau dies ist wohl auch das Erfolgsrezept bis heute.
Alle Spiele im Überblick
Die Entwicklung der Animal Crossing-ReiheDas erste Animal Crossing erschien 2001 in Japan für den N64. Da der Game Cube nur wenige Monate später den N64 ablöste, wurde Animal Crossing grafisch für den Game Cube aufgefrischt – und schließlich auch (mit Anpassungen für die westliche Welt) 2004 in Europa veröffentlicht.Erst mit dem Nachfolgetitel Wild World konnte Animal Crossing sein Potenzial so richtig entfalten: Entwickler Kazuya Eguchi ging es vor allem um die soziale Interaktion, und die konnte nun endlich realisiert werden. Mit der Nintendo Wi-Fi Connection konnten Spieler sich bis 2014 gegenseitig in ihren Städten besuchen.Let’s Go to the City auf der Wii änderte am Spielprinzip nur wenig, außer dass man nun auch eine größere Stadt besuchen konnte. Zusätzlich konnten man sich nun per Wii-Speak-Mikrofon unterhalten. Auf dem DS war nur ein Austausch über Textnachrichten möglich. Auch diese Funktionen wurden 2014 von Nintendo eingestellt.Mit New Leaf kam 2012 vier Jahre nach der Wii-Version ein neuer Teil, der endlich ein paar Neuerungen mit sich brachte: Nun konnte man als Bürgermeister nicht nur das Eigenheim, sondern die gesamte Stadt gestalten. Außerdem kamen mit einem Software-Update noch eine Insel und ein Campingplatz hinzu, die das Spiel erweitern und es ermöglichen, täglich spezielle Missionen zu erfüllen und besondere Gegenstände zu kaufen.New Leaf war bis zum Erscheinen von New Horizons im Jahr 2020 der letzte bedeutende Teil der Serie. In der Offline-Welt monetarisierte Nintendo die immer beliebter werdende Serie nun mit Amiibo-Karten und Figuren zum Sammeln und schaffte damit de Facto erstmals Bezahlinhalte. Den Höhepunkt dieser Welle bildete das Wii U-Spiel Amiibo Festival, bei dem man nur mit Hilfe von Karten und Amiibos überhaupt richtig spielen konnte Das Spiel selbst findet dabei auf einem Spielbrett statt und hat mit dem ursprünglichen Animal Crossing wenig zu tun. Auch der Happy Home Designer, der im selben Jahr erscheint, ist nur ein Spin-Off, bei dem es um die Inneneinrichtung von Häusern geht.Mit Animal Crossing: Pocket Camp brachte Nintendo die Reihe im Jahr 2017 erstmals auf Smartphones. Die Plattform schien zunächst genau richtig, denn gerade für Gelegenheitsspieler ohne Konsole eignet sich Animal Crossing ideal. Schließlich blieben die Downloadzahlen aber hinter den Erwartungen zurück. Ein Grund hierfür könnte dabei auch das Free-to-Play-Modell gewesen sein, bei dem das Spiel selbst kostenfrei ist, Zahlungen aber während des Spielens notwendig sind.Im März 2020 erschien mit New Horizons der aktuelle Teil der Reihe. Dieses Mal besiedelt man eine kleine Insel, die so frei gestaltbar ist wie noch keine Animal-Crossing-Welt bisher. Zudem wird die Idee des 2015 erschienenen Happy Home Designer wieder aufgegriffen: Im kostenpflichtigen Zusatzdownload Happy Home Paradise gestaltet man diesmal nicht nur die Innenräume, sondern ganze Ferienhäuser inklusive Grundstück.